Salon BRASILIEN / Nr.8 / ATLANTIS

ATLANTIS – Rekonstruktion eines Idealstadtprojekts von Léon Krier für Helga und Hans Jürgen Müller

Im Jahre 1984 konzipierte das Stuttgarter Galeristenpaar Helga und Hans-Jürgen Müller das Zukunftsprojekt Atlantis: In Anbetracht der sich bereits damals abzeichnenden ökologischen Katastrophe sollte als „Initiative der besten Kräfte“ eine elitäre Idealstadt entstehen, um von dort aus Vorschläge für „die Reform der westlichen Zivilisation zur Überlebensfähigkeit unserer Gesellschaften über die kommende Jahrtausendwende hinaus“ zu erarbeiten. Ab 1985 war der luxemburgische Architekt Léon Krier mit der Planung dieser Stadt beauftragt. Sie sollte auf einem weitläufigen, im Besitz der Müllers sich befindenden Areal auf Teneriffa entstehen, als „urbanes Bauhaus aus dem Geist der Antike, nach den elementaren Bauprinzipien der Renaissance-Architektur“. Das Vorhaben wurde insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren auf vielen Ausstellungen präsentiert – unter anderem in Frankfurt am Main, Stuttgart, Zürich und Bologna. Ab 1989 gab es eine reale Option zur Verwirklichung von Atlantis: Alfred Herrhausen machte das Projekt zur Vorstandssache der Deutschen Bank, doch kurz darauf wurde er Opfer eines RAF-Attentats, und die Realisierungspläne zerschlugen sich.

Das Institut Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGmA; Leitung Prof. Dr. Stephan Trüby) der Universität Stuttgart hat nun einen Dokumentarfilm über das Projekt gedreht. Teil des Films sind auch Interviews mit Helga Müller und Léon Krier, die Atlantis als ein Projekt voller Widersprüche rekapitulieren, dessen Entstehungsprozess von größten Hoffnungen, aber auch fundamentalem Zweifeln begleitet war. Der Entwurf fällt in eine Zeit, in der der Architekt an einer Depression litt, die nach eigenen Angaben durch die äußerst negative Reaktion auf das 1985 von Krier publizierte Verherrlichungsbuch Albert Speer. Architecture 1932-1942 hervorgerufen worden war. Was in dem Film auch deutlich wird, ist, dass bei Krier die einstige Hoffnung auf rettende Eliten ins Gegenteil verkehrt wurde: In Anbetracht der Anti-Corona-Maßnahmen verbreitet er im Interview querdenkerische Verschwörungsmythen, wonach Covid-19 ein Plan von „Davos“ und Bill Gates seien.

Am 19. Dezember 2022 fand die Filmpremiere im Begleitbüro SOUP in Stuttgart-Bad Cannstatt statt, inklusive einem Vortrag von Stephan Trüby zum Kontext des Filmes sowie einer Diskussion.

Kamera / Ton: Leo Herrmann, Philipp Krüpe

Schnitt: Patrick Haiser

Musik: Oliver Schwamkrug

Eine IGmA-Produktion, 2022


Die Veranstaltungsreihe Salon BRASILIEN wird gefördert durch das Land Baden-Württemberg und die Stadt
Stuttgart.

Die Reihe Salon BRASILIEN nimmt in ihrem Titel Bezug sowohl auf die Leuchtschriftinstallation BRASILIEN, die Begleitbüro SOUP 2021 auf der kleinen Schalterhalle am Hauptbahnhof Stuttgart im Rahmen des Festivals Current – Kunst und urbaner Raum für ein halbes Jahr installiert hatte, als auch auf die Referenz dieser Installation, eine Attrappe Stuttgarts im 2. Weltkrieg bei Lauffen am Neckar, die in Form eines Nachtbildes der Innenstadt unter der Tarnbezeichnung BRASILIEN vom Luftgaukommando 7 als Scheinanlage betrieben wurde.

Mit Salon BRASILIEN möchte Begleitbüro SOUP in einer Veranstaltungsreihe künstlerische Position, die sich eines erweiterten Modellbegriffs bedienen, einem immer neuen Gästekreis näher bringen, um inspirierende Denk- und Arbeitsmodell im Gespräch zu reflektieren und kontrovers zu diskutieren.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung