Zwei Atemobjekte Ø 26cm, 2000/2019, pneumatische Ventile, Gebläse, Steuerung, Sensor, zwei Trillerpfeifen, pneumatische Ventile, Schläuche, Stativ, 2019
Hinter dieser Rolltreppe am Nordausgang der S-Bahn-Haltestelle „Schwabstraße“ befindet sich der geheimnisvolle „Freyraum“.
Eines der dort befindlichen Modellanlagenfragmente Freys ist diese ca. 2m hohe und ca. 1,5m breite Platte mit Pragfriedhof, einem Teil des Krematoriums und rechts oben die seit 2006 bestehenden Gedenkstätte „Nordbahnhof“ als Brachfläche.
Diese Platte lehnt gegen zwei Atemobjekte: das Anlagenfragment wird durch zwei schwarze Atemmembranen in Bewegung versetzt – die Membranen müssen gegen diese Last „anatmen“. Der hier vorgestellte Atemvorgang ist mehrdeutig. Einerseits liegt die Last der deutschen Geschichte im Plattenfragment offen zutage, andererseits ist das Atmen gegen Last ein alltäglicher, quasi sisyphoshafter Vorgang, der auch gerade das Künstlerdasein mit seiner Selbstausbeutung charakterisiert. Der Atem gegen Last könnte auch als Atem der Unterdrückten, der Opfer verstanden werden. Zuförderst aber bildet es m.E. einen Teil des Lebensgefühls und der Existenz der spezifisch deutschen „Nachgeborenen“ ab, die mit dieser belastenden Geschichte leben.
Der Ausatmemstrom der beiden Atemobjekte wird durch die Last des lehnenden Plattenfragments komprimiert und strömt gepresst und zeitlich verkürzt in den „Freyraum“ – oder aber in zwei Trillerpeifen, die sich in ca. 10m Entfernung unter der gigantischen Rolltreppenmechanik (siehe Bild) befinden und den abwärts- oder aufwärtsfahrenden Rolltreppenbenutzer zuweilen aufhorchen lassen mag. Der helle Lichtschlitz mit dem mahlenden Kettengeräusch läßt im wahrsten Sinn tief blicken und erinnert an den Sog des „deep throat“.Das Whistleblowing verstanden als Aufschrei und ohnmächtiger Protest gegen die gewaltige „machina mundi“, gegen das übermächtige „Weltgetriebe“, als Manifestation von Unterdrückung und gleichzeitig als Bedürfnis nach Befreiung, vielleicht auch als versuchter Kommunikationsakt.
Detail Platte oben rechts:
Hier befanden und befinden sich im rechten Streifen tatsächlich fünf Abstellgleise mit Prellböcken – seit 2006 ausgebaut zur Gedenkstätte für die Deportation der Stuttgarter / Württemberger Juden am Nordbahnhof, siehe Bild unten.
Frey hatte hier eine beachtliche Erinnerungslücke. Er hat diesen Teil der Anlage wohl vor 2006 gebaut, aber seine Gleisversion ist hier erstaunlich unpräzise und weist nur ein Gleis auf.
„…Am 14. Juni 2006 wurde die Gedenkstätte offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Der Architekt Ostertag sagte über die Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“: „Wir werden uns fragen lassen müssen, warum wir mehr als 64 Jahre brauchten, um uns hier der Vergangenheit zu stellen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tte_%E2%80%9EZeichen_der_Erinnerung%E2%80%9C_am_Nordbahnhof_Stuttgart
Ansicht Gedenkstätte Nordbahnhof Stuttgart von Norden betrachtet (Bildquelle: Wikipedia / Stefan Frerichs; CC BY-SA 2.0).
„Making of“
2 schwarze Atemobjekte mit Whistles – Erste Versuche, mit Atemobjekten und Whistles für das Stellwerk zu experimentieren (work in progress).