Salon BRASILIEN extended
Veranstaltung im Künstlerhaus Stuttgart „Reclaiming the city“ von Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatorium
urbaner Phänomene) am 18.12.2023
Gäste:
Markus Bauer, IBA ’27; Luigi Pantisano, Stadtrat; Hannes Rockenbauch, Stadtrat; Stephan Trüby, IGMA Uni Stuttgart
18:00 – 20:00h
„Reclaiming the City“ zu „Brasilien_Brasilia – Ein Nach(t)bild zur Stadtentwicklung“
ab 20:30h
Performative „Einweisung ins Depot“ mit Besichtigung des Zwischengeschosses C2
Mit dem Projekt: „Brasilien_Brasilia – Ein Nach(t)bild zur Stadtentwicklung“
geht die Stuttgarter Künstlergruppe Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatoriunıurbaner Phänomene) der Frage nach, welche Rolle städtebauliche Attrappen, Modelle und unhinterfragte „Versprechen der Moderne“ bei der Immobilien- und Bodenspekulation spielen. In der Veranstaltung im Künstlerhaus Stuttgart wird Begleitbüro SOUP das 2023 durchgeführte Projekt mit seinen beiden Teilen:
Aktion „BRASILIEN-Leuchtschrift“ auf dem Eiermannareal/ehemalige IBM Zentrale in Stuttgart-Vaihingen
Symposium „Salon Brasilien extended“, veranstaltet im Rahmen des IBA’27-Festivals
mit kurzen Videos und Textbeiträgen vorstellen und mit seinen Gästen und dem Publikunı sprechen. Der Einsatz des Codeworts „BRASILIEN“ zur Kennzeichnung dieser millionenschweren Immobilie als besondere Form einer Stadtentwicklungsattrappe steht dabei im Mittelpunkt.
Im Anschluss besteht die Gelegenheit zu einem Besuch des Zwischengeschosses C2 – jenem Ort, an dem der Modellbauer Wolfgang Frey sein spektakuläres Modellbauprojekt betrieben hatte und der von Begleitbüro SOUP seit 20l8 zu einem Projektraum erweitert wird.
»Brasilien« war das Codewort für eine zwischen 1940 und 1943 bei Lauffen am Neckar aufgebaute militärische Scheinanlage, die mittels Gebäudeattrappen und einer ausgefeilten Lichtregie den Bomberpiloten der Royal Air Force
bei ihren nächtlichen Angriñen die Stadt Stuttgart vorgaukeln und zum Abwurf ihrer Bomben veranlassen sollten. Heute nutzen, so die Annahme beim Symposium, internationale Projektentwickler die suggestive Kraft von
Modellen und Bildern, um Behörden und Gemeinderäte zur rascheren Schafiung von Baurecht zu bewegen, mit dem sich höhere Spekulationsgewinne generieren lassen.
Begleitbüro SOUP thematisiert mit der Aktion künstlerisch spekulativ, aber durchaus paradigmatisch, wie die zu Stilikonen für eine Epoche gewordenen und unter Denkmalschutz stehenden Eiermann-Pavillons sich gleichsam zu
Attrappen bei der Auseinandersetzung mit dem Erbe der Nachkriegsmoderne entwickeln. So wie Brasilien und Brasilia bis in die 60iger Jahre hinein für die „Versprechen der Moderne“ standen, war IBM der Inbegriff der
technischen Moderne. Das sollte die Architektur auch zum Ausdruck bringen und hat ihr einen ikonischen Charakter verliehen. Seit die Eiermannbauten jedoch unzweckmäßig geworden und veräußert wurden, verwandeln sie sich
in so etwas wie „Attrappen der Moderne“. Anders als in Brasilia, wo der Zweck der Architektur Niemeyers, Repräsentationsbauten für ein modernes Brasilien zu sein, weiterhin Bestand hat, ist dieser den Eiermannbauten
abhanden gekommen. Dennoch beeinflussen sie gerade als Moderneattrappen weiterhin Entscheidungen in Architektur und Stadtplanung.
Begleitbüro SOUP (Stuttgarter Observatorium urbaner Phänomene) ist eine 2009 gegründete künstlerische Formation, die urbane Prozesse und Phänomene im lokalen Umfeld einer Langzeitbeobachtung unterzieht und deren Ergebnisse in verschiedenen Formen der Öffentlichkeit zugänglich macht. Die Auseinandersetzung mit erweiterten Modellbegriffen – von der militärischen Scheinanlage BRASILIEN als Attrappe der Stadt Stuttgart bis hin zum
obsessiv betriebenen Nachbau der Stadt als Modellbahnprojekt im Maßstab 1:166 von Wolfgang Frey – steht in den letzten Jahren im Mittelpunkt der Aktivitäten von SOUP. Hieraus resultieren Fragen zum Attrappencharakter
von Architektur, zum Phanomen der Scheinarchitekturen, zu den Abgründen obsessiver Weltmodelle sowie zur Gestaltung von Partizipationsprozessen in einem politisch aufgeladenen Umfeld.